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Kurz notiert

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18.01.25, Google sieht sich zur Zensur gedrängt: Der Suchmaschinenriese Google ist eigentlich bekannt dafür, politisch inkorrekte Inhalte in den Suchergebnissen herabzustufen. Eric Schmidt, Vorsitzender der Google-Muttergesellschaft Alphabet, sagte 2017: »Ich bin entschieden gegen Zensur. Ich bin jedoch sehr dafür, Inhalte in eine Rangfolge zu bringen. Das ist, was wir tun.«
Vor einigen Tagen gab Facebook-Gründer Mark Zuckerberg bekannt, die Zusammenarbeit mit den sogenannten Faktencheckern einzustellen. Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hat Zuckerberg daraufhin informiert, dass sein Sanktionsrisiko nach der EU-Verordnung über digitale Dienste (EU Digital Services Act) sinke, wenn er mit Faktencheckern zusammenarbeite.
Google ist Unterzeichner des ›Verhaltenskodex für Desinformation‹ von 2022 (Code of Practice on Disinformation). Darin steht unter Maßnahme 18.2 klipp und klar, dass die Unterzeichner »Richtlinien entwickeln und durchsetzen, um die Verbreitung schädlicher, falscher oder irreführender Informationen einzuschränken«. Was Mitarbeitern von Faktencheckanbietern wie Correctiv nicht gefällt, soll also in den Suchergebnissen untergehen. Nun teilte Google aber der EU-Kommission in einem Brief mit, seinen Suchergebnissen keine Faktenchecks hinzuzufügen. Darüber berichtete das Medium Axios am 16. Januar. Der Konzern schreibt, dass die Integration von Faktenchecks »einfach nicht angemessen oder effektiv« sei. Der unterzeichnete Kodex ist eine freiwillige Selbstverpflichtung, doch laut Axios drängt die EU große Anbieter (soziale Netzwerke oder Suchmaschinen) dazu, die freiwilligen Maßnahmen in einen Verhaltenskodex gemäß der Verordnung über digitale Dienste umzuwandeln. Google will das nach eigener Aussage vermeiden. Damit vergrößert sich für Google das von Klaus Müller erwähnte Risiko, mit Sanktionen belegt zu werden.
notizen-2025/#180125-238

16.01.25, Ein Hoch auf die Musik und ein Blick in die Schulen: Singen macht glücklich, baut Ängste ab und schweißt zusammen. Gemeinsames Singen aktiviert »die Fähigkeit zur Einstimmung auf die anderen und schafft so eine emotional positiv besetzte Grundlage für den Erwerb sozialer Kompetenzen«, ergänzt der Neurobiologe Gerald Hüther. Dazu zählen Rücksichtnahme, Einfühlungsvermögen, Selbstdisziplin und Verantwortungsgefühl. Menschen, die ein Instrument spielen, hören nicht nur besser. Auch das visuell-räumliche Gedächtnis wird verbessert. Wer das Bildergedächtnis zum Lernen nutzt (zum Beispiel durch einen Eselsbrückenfilm oder Visualisierung eines Konzepts), kann sich Dinge sehr genau einprägen, ohne sie wieder zu vergessen. Im OECD-Lernkompass 2030 heißt es sogar: »Bis heute kennt die Forschung nichts, das die kognitive Leistungsfähigkeit von Kindern in vergleichbarer Weise oder Dimension fördert wie Musik- und Kunstunterricht.«
Merkwürdig, dass Musikunterricht in Deutschlands Schulen oft wie das fünfte Rad am Wagen behandelt wird. In einer repräsentativen Allensbach-Umfrage von 2015 gaben 22 Prozent der Neunt- und Zehntklässler an, gar keinen Musikunterricht zu erhalten. Bei weiteren 27 Prozent fielen die Stunden zumindest ab und an, zum Teil auch häufig aus. Der Mangel an ausgebildeten Musiklehrern nimmt zu, warnte die Bertelsmann-Stiftung 2020. Aus Thüringen und Sachsen hört man derzeit, dass immer mehr Musikstunden ausfallen.
notizen-2025/#160125-557

15.01.25, Kriegsertüchtigung im Gesundheitswesen: Vivantes beschreibt sich als größter deutscher Krankenhauskonzern in kommunalem Besitz. Die Betriebsratschefin Josephine Thyrêt ist bei Bündnis Sahra Wagenknecht aktiv. Auf dem Bundesparteitag in Bonn am 12. Januar sagte sie: »Wir haben heute eine reale Bedrohung und eine reale Vorbereitung auf den Krieg. Ich bin Betriebsratsvorsitzende eines der größten kommunalen Unternehmen im Gesundheitswesen und die Kriegsertüchtigung, die ich dort erlebe, die ist alltäglich, sie zieht in sämtliche Häuser. Deutschland, liebe Freundinnen und Freunde, ist die Drehscheibe Europas bei der Versorgung von Verletzten. Von tausend Verletzten am Tag wird gesprochen.« Kommentar: Statt den menschlichen Weg zu gehen und Frieden herzustellen, lässt sich die Politik in den Krieg hineinziehen. Das EU-Parlament und die Spitzenkandidaten von FDP, Grünen und CDU sprechen sich für die Lieferung von Taurus-Raketen aus, als ob es keine Konsequenz hätte, wenn deutsche Raketen Einrichtungen im russischen Landesinnern treffen. Übrigens: In einer aktuellen Umfrage sprechen sich 73 Prozent der Ukrainer für sofortige Friedensverhandlungen aus.
notizen-2025/#150125-463

14.01.25, Verkehrsbetriebe in NRW schaffen Bargeld ab: Wie in den letzten Tagen bekannt wurde, arbeiten die Verkehrsbetriebe von Düsseldorf, Essen und Dortmund an der Abschaffung des Bargelds. Barzahlung soll in Zukunft komplett entfallen, in Bus und Bahn. Kritik kommt unter anderem von Sozialverbänden und von den Verbraucherzentralen. In der Schweiz machen sich ähnliche Entwicklungen bemerkbar. Das Nachrichtenportal Nau berichtete am 10. Januar, dass die Schweizer Bundesbahnen ihre Bahnhofs-WCs zukünftig nur noch Kartenzahlern anbieten. In einer aktuellen Petition fordern 105.000 Menschen, Bargeld europaweit zu schützen und seine Akzeptanz im Nah- und Fernverkehr zu gewährleisten.
notizen-2025/#140125-690

13.01.25, Auch Google nimmt Einfluss auf Wahlen: In den Medien ist zu lesen, dass Elon Musk mit einer Strafe zu rechnen hätte, sollten Nutzern der Plattform X, vormals Twitter, AfD-freundliche Beiträge bevorzugt angezeigt werden.
Gemäß Artikeln 34 und 35 der EU-Verordnung über digitale Dienste müssen große Suchmaschinen und soziale Netzwerke nachteilige Auswirkungen »auf die gesellschaftliche Debatte und auf Wahlprozesse« eindämmen.
Bei der Bundestagswahl 2017 zeigte sich, dass Google seinen Nutzern zum Suchbegriff »AfD« deutlich mehr negative Inhalte ausgab als bei den Anfragen »CDU« oder »Bündnis 90/Die Grünen«. Weit größeren Einfluss hat es jedoch, wenn man als Suchmaschine die Informationsauswahl bestimmt, auf deren Basis gesellschaftliche Debatte stattfindet. Seit 2016 kann man beobachten, dass es Google immer komplizierter macht, an Informationen aus Quellen zu kommen, die im Mainstream als unseriös gelten. Nun ist es aber so, dass die Massenmedien eine Vielzahl von Ereignissen und Entwicklungen ignorieren oder relevante Aspekte vernachlässigen. Kleine, freie Medien ergänzen das Angebot. Zwar mögen einige Autoren unsauber arbeiten, doch sollte man ohnehin alles selbst prüfen und durchdenken, egal wo man mitliest.
Ich möchte mal die Bevorzugung großer Medien an einem Beispiel schildern: Es ist aussichtslos, die Plattform Bargeldverbot.info unter dem Begriff »Bargeldverbot« zu googeln (das war früher mal anders). Auch die vielen Artikel, die ich dort veröffentlicht habe, sind kaum aufzufinden. Schaut man in die Massenmedien, findet man wenig von den Hintergrundinformationen, die ich oder Journalisten wie Norbert Häring über die Jahre zum Thema Bargeld recherchiert haben. Somit bleibt es Bürgern verwehrt, diesen Schatz zu nutzen, um zu einem fundierten Urteil zu kommen und für sich selbst Konsequenzen zu ziehen. Das kann die Konsequenz sein, seine Einkäufe bar anstatt mit Karte zu bezahlen. Oder die Konsequenz, bei der Bundestagswahl für eine Partei zu stimmen, die dafür sorgen will, dass Bargeld wieder überall im Nahverkehr, in Bürgerämtern oder Cafés akzeptiert wird.
notizen-2025/#130125-930

11.01.25, Kann die EU das Votum des Volkes annullieren?: Der Milliardär Elon Musk, Eigentümer des Kurznachrichtendienstes X (vormals Twitter), wirbt offen für die AfD. Thierry Breton, bis vor kurzem EU-Kommissar, ist wenig begeistert. Mit Musk liegt Breton seit längerem im Streit. Am 9. Januar sagte er dem französischen Fernsehsender RMC, man werde beobachten, wie sich Elon Musk weiter verhalte. Wahleinmischung sei nicht zu dulden und die EU-Gesetze müssten durchgesetzt werden. »Das haben wir in Rumänien getan, und wir werden es selbstverständlich auch in Deutschland tun, falls es nötig ist«, so Breton.
Stellt sich die Frage, was die EU in Rumänien getan hat (und in Deutschland wiederholen soll). In der ersten Runde der rumänischen Präsidentschaftswahlen lag am 24. November ein NATO-Kritiker mit 22 Prozent der Stimmen vorn. Am 6. Dezember hob das Verfassungsgericht die Wahlen auf und begründete das mit ausländischer Einmischung. In dem Beschluss zitierten die Richter auch EU-Vorschriften. Haben diese mysteriösen »Wir«, mit denen sich Breton identifiziert, womöglich so viel Druck auf Rumänien ausgeübt, dass das Verfassungsgericht vollkommen überraschend und bislang beispiellos die Wahl aufhob? Breton jedenfalls ist auf EU-Ebene gut vernetzt und könnte es wissen. Jedes EU-Land stellt nur ein Mitglied der EU-Kommission und Breton nahm diese Rolle für die französische Regierung war.
In der Zwischenzeit hat sich herausgestellt, dass die Geschichte um die ausländisch finanzierte Wahlkampagne in Rumänien verkehrt ist. Und weil sich die Rumänen nicht vom Staat sagen lassen, dass sie unter Einfluss hypnotischer Kräfte das Kreuz an der falschen Stelle gemacht haben, liegt der NATO-Kritiker in einer Umfrage nun bei 40 Prozent.
notizen-2025/#110125-283

10.01.25, Nach vier Monaten Corona-Haft auf freiem Fuß: Der Oberfeldwebel Alexander Bittner ist gestern Morgen (Donnerstag) vorzeitig aus der Haft entlassen worden, berichtet der Donaukurier. Weil er als Bundeswehrangehöriger den Corona-Impfbefehl verweigert hatte, war er zu einer Geldstrafe und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Bittner bezahlte nicht und fand sich Mitte September 2024 im Gefängnis wieder. Parallel kündigte die DKB-Bank seiner Familie die Bankkonten, wie Multipolar erfuhr. Am 5. November gab die bayerische Staatsregierung bekannt, alle offenen Corona-Bußgeldverfahren im Land einzustellen. Für Bittner änderte sich deshalb zunächst nichts.
notizen-2025/#100125-595

09.01.25, Das Winterwunder: Wenn an bitterkalten Wintertagen der Nebel durch die Lande zieht, bilden sich wunderschöne Eisformationen. Kiefern, Tannen und Fichten bekommen ein Stachelgewand. Aus Laubsträuchern werden Nadelbüsche. Die feinen Eisgebilde (›Weiches Raueis‹ genannt) wachsen auf der windzugewandten Seite der Gehölze. Man sieht also, woher der Wind weht. Mit der Zeit erreichen die Gebilde eine solche Größe, dass ein stetiger Eiskristallregen zu Boden geht. Unter den Bäumen bildet sich eine weiße Decke, dass man meinen könnte, es habe fest geschneit. Das Phänomen zeigte sich hier am Rande des Südschwarzwalds um Neujahr.
Auch an Rotorblätter heften sich die Eiskristalle. Windräder werden dann schwergängiger. Wenn sich viel Eis angesammelt hat, beginnen die Luftmühlen mit Eis zu werfen. Ob Winterspaziergang mit Helm oder ohne: Luft, Bewegung und Inspiration sind gesund. Die Nebeltröpfchen waschen Schmutzpartikel aus der Atmosphäre. Eine Bilderstrecke mit Fotos von der Winterwunderlandschaft gibt es hier.
notizen-2025/#090125-067

08.01.25, Hunderttausend Bürger sagen nein zu Digitalzwang: Nunmehr 100.000 Menschen fordern das EU-Parlament auf, das Geldautomaten- und Bankfilialnetz zukunftsfest zu machen. Zugleich soll die Politik die Akzeptanz von Bargeld in öffentlichen Verkehrsmitteln, auf Behörden und in den Läden sicherstellen.
Der Bürger verliert an vielen Orten die Option, anonym mit Banknoten und Münzen zu bezahlen. Die Verkehrsbetriebe in Düsseldorf wollen Bargeld bis 2027 vollständig abschaffen, wie erstmals die Rheinische Post am 5. Januar berichtete. Die Deutsche Bahn stellte im September 2024 im Raum Dresden erste Fahrscheinautomaten auf bargeldlosen Betrieb um. Bereits seit Ende 2023 sind Sparpreisangebote bundesweit nicht mehr am Automat verfügbar. In Rostock und Leipzig ersetzen die Nahverkehrsbetriebe aktuell alle Ticketdrucker in Bus und Straßenbahn durch bargeldlose Modelle; Förderung für die Umstellung kommt nach vorliegenden Informationen vom Bundesverkehrsministerium.
Neben Schwimmbädern, Bäckereien, Hotels und Cafés lehnen auch Bürgerämter zunehmend das einzige staatliche Zahlungsmittel ab: Düsseldorf verabschiedete sich zum 1. November 2024 vom Bargeld. Nach einer Befragung der Deutschen Bundesbank sieht sich die Bevölkerung inzwischen in 50 Prozent ihrer Behördenangelegenheiten gezwungen, digital zu bezahlen. Zwei Jahre zuvor waren es 37 Prozent.
Der EU-Ministerrat und das EU-Parlament diskutieren derzeit einen Gesetzesvorschlag zur Rolle von Bargeld als Zahlungsmittel. Der Entwurf der EU-Kommission sieht keinen konsequenten Annahmezwang für Bargeld vor. Stattdessen würden die Euroländer verpflichtet, den Umfang der Ablehnung von Bargeld nach bisher unbekannten Kriterien der EU-Kommission zu beobachten. Bei zu niedriger Akzeptanz müssten die Staaten Gegenmaßnahmen ergreifen. Die Verordnung macht keine Vorgaben, ob in diesem Fall alle Unternehmen oder nur bestimmte wie Apotheken und Supermärkte bei Strafe auf die Annahme von Bargeld zu verpflichten wären. Für den geplanten digitalen Euro sieht Brüssel dagegen eine unmittelbare Akzeptanzpflicht mit Sanktionen vor.
Die Idee zur Petition kam mir vor ziemlich genau einem Jahr. Mit dem Geldexperten Hansjörg Stützle habe ich das Projekt umgesetzt. Weit über 200 Stunden flossen meinerseits hinein. Im Juli 2024 war Sammelstart, heute können wir den 100.000 Unterstützer feiern. Wichtig ist jetzt mediale Aufmerksamkeit für das Anliegen und ein hörbarer Appell von Sozial- und Wirtschaftsverbänden, überwachungskritischen Organisationen und prominenten Personen. Dank der Petition ist bereits ein Netzwerk zehntausender Menschen entstanden. Unabhängig davon, was EU-Parlament und EU-Ministerrat beschließen, wir sind eine Stimme für das Bargeld und können jederzeit neue Aktionen anstoßen. Hansjörg Stützle reist nun vier Wochen durch Deutschland und hält insgesamt 19 Vorträge zur Bedeutung von Bargeld. Chapeau!
notizen-2025/#080125-159

07.01.25, USA rüsteten Ukraine schon 2021 auf: Amerika stattete die Ukraine im Vorfeld des Krieges mit Waffen aus, bestätigt US-Außenminister Antony Blinken erstmals im New-York-Times-Interview vom 4. Januar: »Ab September und dann noch einmal im Dezember [2021] brachten wir in aller Stille eine Menge Waffen in die Ukraine, um sicherzustellen, dass sie in der Hand hatten, was sie zur Verteidigung brauchten«, so Blinken.
Die Aussage des US-Diplomaten ergänzt die Chronologie der Konflikteskalation bis zum offenen Krieg. Relevant in diesem Zusammenhang ist unter anderem die militärische Bedeutung der Krim-Halbinsel für Russland. Der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanow, sagte am 7. August 2024, aus militärischer Perspektive sei es viel einfacher, die Krim zurückzuerobern als den Donbass. Seit dem russischen Einmarsch 2022 nimmt die Ukraine Ziele auf der Krim ins Visier. Am 24. März 2021 hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj die Strategie »der Deokkupation [also Räumung] und Reintegration des vorübergehend besetzten Gebiets der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sewastopol« genehmigt. Im Vordergrund standen vor allem nichtmilitärische Maßnahmen. Am 23. August 2021 wurde das Forum ›Krim-Plattform‹ gegründet. Laut ›Al Jazeera‹ sagte Selenskyj dort, er »werde persönlich alles tun, was möglich ist, um die Krim zurückzuholen, damit sie zusammen mit der Ukraine Teil Europas wird«.
notizen-2025/#070125-008

21.12.24, Jahresrückblick: Liebe Leser, ich verabschiede mich in die Weihnachtspause und blicke an dieser Stelle auf das Jahr 2024 zurück.
Bargeld: Auch in den vergangenen zwölf Monaten hat mich das Engagement für den Erhalt des Bargelds stark ausgelastet. Bargeld verleiht Kontrolle über die eigenen Ausgaben, es flutscht nicht bequem davon mit einem Wisch über das Smartphone. Bargeld ist das einzige staatliche Zahlungsmittel für jedermann – kostenlos und nicht im Interesse der Finanzindustrie, die sich an den Gebühren für Kartennutzung bereichert. Zu guter Letzt bleiben Menschen dank Banknoten und Münzen handlungsfähig bei Pfändungen, manchmal auch bei politischer Verfolgung.
Weil immer mehr Behörden, Nahverkehrsbetriebe und andere Unternehmen Bargeld ablehnen und weil die Banken Automaten und Filialen abbauen und damit den Zugang zu Geld abschneiden, setze ich mich für ein Gesetz ein, das diese Entwicklung unterbindet. Und zwar auf Europaebene, wo ein entsprechender Verordnungsvorschlag der EU-Kommission bereits diskutiert wird.
Und so startete ich im Juli mit dem Geldexperten Hansjörg Stützle eine Petition an die Institutionen der Europäischen Union. 100.000 Menschen haben sich bislang mit ihrer Unterschrift angeschlossen. Nebenbei entstand ein Netzwerk tausender engagierter Bürger. Meinerseits flossen deutlich über 200 Stunden aktiver Arbeit in das Projekt.
Darüber hinaus bin ich aktiv, eine öffentliche Debatte über die geplante Verordnung anzustoßen, damit ihre Mängel beseitigt werden. Im kommenden Jahr sollen sich die ersten Früchte zeigen.
Neu für mich war der Auftritt vor Fachpublikum. Auf Einladung sprach ich im Juni in Prag über die Anti-Bargeld-Aktivitäten der Kreditkartenkonzerne. Im November hielt ich in Berlin einen Vortrag zum Thema »Bargeld für die Welt von morgen«.
Kontokündigungen: Bargeld hat seine Vorzüge in der direkten Begegnung. Für Transaktionen über die Ferne braucht es in der Regel ein Bankkonto. Freie Medien finanzieren sich gerne über Spenden. Leider sind viele von ihnen von Kontokündigungen betroffen. Jedes Mal gehen Überweisungsdaueraufträge von Unterstützern verloren.
Zweieinhalb Monate (April–Juni) recherchierte ich zu dem Phänomen. Ich schrieb über 150 E-Mails. Ein internes Recherchedossier mit 300 Referenzen entstand. Die Publikation im Multipolar-Magazin vom 24. Juni fand viel Beachtung. 85.000 Aufrufe erzielte der Text. Die Neue Osnabrücker Zeitung übernahm den Artikel schließlich, was wiederum von einer überregionalen Tageszeitung thematisiert wurde, die in meinem Artikel namentlich genannt war, weil sie mit einem Meinungsbeitrag ihre eigene Hausbank unter Druck setzte, das Konto eines journalistischen Mediums zu kündigen.
Schließlich erhielt ich auch noch eine Buchanfrage. Weil das Bankkonten-Thema sehr belastend für mich war, habe ich das Angebot abgelehnt. Meine Kraftquelle ist die Natur, und wenn man sich nur mit künstlichen Problemen beschäftigt, bleibt keine Zeit, an natürlichen Dingen zu arbeiten. Das Jahr endet mit einer guten Nachricht für freie Medien: Ein Oberverwaltungsgericht setzt mit seinem Beschluss sehr enge Grenzen für Kontokündigungen durch Sparkassen (siehe meine Analyse dazu).
Eigene Internetplattform: Seit dem 25. Juni veröffentliche ich hier täglich wissenswerte Informationen, die auf anderen Plattformen untergehen oder gar nicht erscheinen. Es geht um Themen aus einem weiten Spektrum: Umwelt, Landwirtschaft, Gesellschaft, Wirtschaft, Politik, Finanzen, Freiheit, Familie. An dieser Stelle ein Dank an die unsichtbaren Helfer im Hintergrund, die mir unermüdlich Informationen übermitteln, die Anlass zur Berichterstattung geben. Nächstes Jahr wird das Format noch erweitert werden.
Lektüre für ruhige Tage: Einige meiner Beiträge aus der Vergangenheit möchte ich zum Lesen empfehlen:
Alte Pflanzensorten: Was wird aus dem genetischen Kulturerbe? (Link)
Bericht über eine Bargeld-Initiative Tübinger Unternehmer (Link)
Versöhnung im Land der Verbannung (Link)
Wie Frieden in Europa und in der Welt gelingen kann:
Wie sich die Bundesländer für Friedenserhalt einsetzen können (Link)
Was man mit 300 Milliarden tun kann, anstatt sie der Bundeswehr zu geben (Link)
Mit natürlicher Landwirtschaft Frieden herstellen (Link)
Ein Dank an alle finanziellen Unterstützer. Ich finde es gut, spartanisch zu leben und etwas Sinnvolles zu tun. Aber jeder kleine Beitrag hat auch einen Anteil daran, dass ich nicht mehr so häufig beim Allernotwendigsten sparen muss. Meinen Lesern wünsche ich nun besinnliche Tage!

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Aktuelle Beiträge

Raus aus der Bildungsfalle

Grafik zur Symbolisierung. Lizenz: Bild von Persblik / Pixabay / Bild beschnitten.

Rezension | 23.10.2024

Raus aus der Bildungsfalle

Ein Sozialwissenschaftler sucht Wege aus der Bildungsfalle und setzt dabei auf einen starken Staat. Wie denkt darüber ein junger Journalist, der das Schulsystem verließ, noch ehe es das Gesetz erlaubte? Von Hakon von Holst.

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Bundesbank beteiligt sich an Verdrängung des Bargelds

Grafik zeigt die Stadt Frankfurt. Lizenz: Bild von Leonhard Niederwimmer / Pixabay / Bild beschnitten.

Artikel | 01.10.2024

Bundesbank beteiligt sich an Verdrängung des Bargelds

Die Deutsche Bundesbank will mittelfristig ein Viertel ihrer verbliebenen Filialen schließen. Das könnte die Akzeptanz von Bargeld im Einzelhandel weiter vermindern. Trotzdem beharrt die Bundesbank auf ihrem Plan, auch gegen interne Kritik. Von Hakon von Holst.

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Externe Publikationen

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Übersicht

Beiträge nach Rubrik

31.12.2024, Winterwunderland: »Eistage am Rande des Südschwarzwalds. Kiefern und Fichten überzogen von einem Stachelteppich. Aus Laubsträuchern werden Nadelbüsche.«

16.10.2023, Kranz im Herbst: »Aus Früchten und Blütenständen entsteht ein buntes Geflecht ohne künstliche Hilfsmittel.«

25.08.2023, Versöhnung im Land der Verbannung: »Fern im Osten, am tiefsten See der Welt, spielte eine Geschichte der Versöhnung – erst vor wenigen Jahren. Was kann den Kriegen in aller Welt ein Ende setzen? Hier kommt ein Beispiel, aus dem sich schöpfen lässt.«

31.10.2022, Goldener Oktober: »Die Schatten sind länger geworden. Im flachen Winkel fällt das Licht durch die Baumwipfel – ein Mittag im späten Herbst …«

21.03.2021, Tips für alle, die neu im Garten sind: »Gestern, der 20. März, ist das Sommerhalbjahr angebrochen. Allen angehenden Gärtnern möchte ich aus diesem Anlass einige Hinweise geben …«

02.09.2018, Fassung einer Kluftquelle im Lungau: »Im Mai haben wir am Krameterhof wieder eine Quelle gefasst und ich habe die Möglichkeit genutzt und ein paar Bilder gemacht …«

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Mehr Artikel zum Thema »Natürlicher Landbau» anzeigen

27.12.2021, Woher Hast und Eile kommen: »Ein Blick auf den Terminkalender: keine Verpflichtungen heute, Gott sei Dank. Und trotzdem macht sich Unruhe breit. Woher kommt das? Wann stellt sich Ruhe ein?«

21.12.2021, Erinnerung an das Gute.

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06.10.2023, Geschlossene Gesellschaft: wie unbotmäßige junge Journalisten draußen gehalten werden …

25.08.2023, Versöhnung im Land der Verbannung: »Fern im Osten, am tiefsten See der Welt, spielte eine Geschichte der Versöhnung – erst vor wenigen Jahren. Was kann den Kriegen in aller Welt ein Ende setzen? Hier kommt ein Beispiel, aus dem sich schöpfen lässt.«

27.07.2023, Voll, aber nicht satt: »Äcker verlieren fruchtbaren Humus. Genau der aber macht den Boden lebendig, speichert Wasser und bringt unsere Lebensmittel hervor. Können ausgelaugte Felder noch gesunde Früchte hervorbringen?«

05.02.2023, Das Ammoniakproblem: »Neue Vorschriften fürs Düngen, denn Gülle soll nicht mehr stinken. Moderne Maschinen müssen her. Die Folge: Exkremente im Futtertrog und Geldsorgen …«

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Hier finden Sie ein Archiv aller meiner Texte zum Thema »Zukunft des Bargelds«

31.10.2022, Goldener Oktober: Die Schatten sind länger geworden. Im flachen Winkel fällt das Licht durch die Baumwipfel – ein Mittag im späten Herbst …«

20.09.2021, Ein Weihnachtslied: »Kahl stehen die Lärchen am Waldesrand, am Boden zerstreut hat sich ihr goldnes Gewand; erkaltet, erstarrt ist die weite Flur …«

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  • Bücher lesen

Hier gibt es Leseempfehlungen für Januar 2025.

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Kranz im Herbst

Aus Früchten und Blütenständen entsteht ein buntes Geflecht ohne künstliche Hilfsmittel.

Vor langer Zeit fertigte ich einen Adventskranz aus Tannenreis. Ein Strohring gab die Basis und Draht diente zum Binden. Auf diese Hilfsmittel wollte ich nun verzichten und probierte aus. Meine Grundlage sollte ein Ring aus Brennnesseln werden. Ich streifte die stechenden Blätter herunter und flocht aus drei Ruten eine Litze …

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Erinnerung an das Gute

Liebe Freude Interesse Glück Glückseligkeit Freiheit Lebendigkeit Nächstenliebe Zuneigung Mitgefühl Inspiration Begeisterung Berührung Würde Erleuchtung Entfaltung Entdeckerfreude Zufriedenheit Empfindsamkeit Genügsamkeit Klarheit Schönheit Schöpfung Läuterung Widerstandskraft Kraft Frohlocken Einkehr Weitsicht Gelassenheit Ausgewogenheit Harmonie Überfluss Vielfalt Vielseitigkeit Hilfsbereitschaft Emsigkeit Vollkommenheit Fleiß Willenskraft Beseeltheit Intelligenz Verstehen Präsenz Beweglichkeit Humor Witz Durchdringung Mut Wagemut Übersicht Perspektive Zielstrebigkeit Orientiertheit Verbundenheit Verwurzelung Heimat Standfestigkeit Friedliebe Spontanität Wildheit Kultiviertheit Disziplin Selbstkontrolle Leben Lachen Entfesselung Zuversicht Beschwingtheit Neutralität Authentizität Ehrlichkeit Aufrichtigkeit Achtsamkeit Rücksicht Voraussicht Entspannung Wachstum Entwicklung Esprit Wonne Sonnigkeit Rechtschaffenheit Gewissen Feuer Erdung Überlegtheit Treue Vertrauen Eigenständigkeit Selbständigkeit Eigenverantwortung Verantwortung Strahlkraft Güte Dankbarkeit Hoffnung Charisma Bescheidenheit Demut Beständigkeit Natürlichkeit Zeitlosigkeit Sinn Besinnlichkeit Farbe Verlässlichkeit Wachheit Genauigkeit Heiterkeit Ausgeglichenheit Echtheit Wahrheit Wahrhaftigkeit Unschuld Kindlichkeit Reinheit Unbedarftheit Ordnung Fürsorge Besonnenheit Lebenskraft Großherzigkeit Herzlichkeit Weisheit Differenzierung Handlung Bewusstsein Segen Vergebung Versöhnung Brüderlichkeit Temperament Gestandenheit Wärme Gottvertrauen Dynamik Fülle Kooperation Zusammenwirken Liebevolles Schöpfen Ideenreichtum Rhythmus Fähigkeit Potenzial Strukturiertheit Synchronizität Synthese Horizont Reinigung Schutz Ausdauer Erweckung Wahlfreiheit Selbstbestimmung Unabhängigkeit Autonomie Geborgenheit Erquickung Seelenfrieden Labsal Würdigung Debatte Auseinandersetzen Freiraum Sanftheit Ermutigung Erneuerung Zukunftsorientiertheit Offenheit Standhaftigkeit Erhellung Erkennen Antrieb Rückgrat Großzügigkeit Tatendrang Menschlichkeit Beleuchtung Wahrheitssinn Wahrheitsstreben Freundschaft Väterlichkeit Barmherzigkeit Größe Intuition Verzeihung Konzentration Unendlichkeit Ewigkeit Fluss Ermunterung Respekt Wertschätzung Mütterlichkeit Licht Heilung Wunder Göttlichkeit Einsicht Menschenliebe Vernunft Freundlichkeit Erbarmen Originalität Eintracht Seligkeit Zärtlichkeit Behüten Geburt Rührung Austausch Sternstunde Maß Kreativität Zweisamkeit Aufatmen Juchzen Singen Linderung Lindheit Gabe Altehrwürdigkeit Aufbruch Eingebung Lebenslust Sonnenaufgang Sternenlicht Frieden Frohsinn Selbstlosigkeit Fürsprechen Begegnung Ausweg Trittsicherheit Anregung Lächeln Befreiung Erfrischung Wohlwollen Erlösung Warmherzigkeit Kommunikation Zuhören Gutes Sanftmut Unermüdlichkeit Beherztheit Getragensein Offenherzigkeit Leichtigkeit Klang Behutsamkeit Altruismus Herzinnigkeit Ergrünen Erblühen Fruchtbarkeit Bedacht Heilsein Klarsicht Zeithaben Tierliebe Niveau Milde Entgegenkommen Entzücken Verzicht Ernsthaftigkeit Vorsicht Überwindung Beflügeltsein Kinderliebe Herrlichkeit Seelenreichtum Echtes Sinnlichkeit Werte Tapferkeit Erinnerung Vorfreude Herz Gewissheit Gewissenhaftigkeit Teilnahme Mutterliebe Ausstrahlung Sorgfalt Fantasie Achtung Erfinderreichtum Verwirklichung Nachsicht Wahrheitsliebe Redlichkeit Freigiebigkeit Tatkraft Erfüllung Weihnachten

Ich wünsche allen Menschen auf diesem Wege einen fröhlichen Tag. Von jetzt an und auch in der Zukunft. Wer Freude daran hat, kann sich all die guten Wörter ausdrucken:

Es ist auch möglich, sich ein wenig Zeit zu nehmen, um sich an weitere Wörter und Worte zu erinnern. Es gibt Kraft. Und vielleicht ist der Wunsch da, diese Freude mit anderen Menschen zu teilen. Per E-Mail zum Beispiel. Oder ganz direkt.

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Versöhnung im Land der Verbannung

Die sibirische Seele erzählt nicht nur von der Zwangsumsiedlung der Wolgadeutschen, sondern auch die Geschichte, wie Deutsche und Russen am Baikalsee wieder zueinander gefunden haben.

Bildlizenz: Foto »Lake Baikal« von Sergey Gabdurakhmanov / CC BY 2.0 / Foto beschnitten.

Vor 300 Jahren erkundeten deutsche Forscher die Weiten hinter dem Ural: Sibirien. Ein Land von unendlicher Schönheit. Doch auch ein Begriff für Kälte und Zwangsarbeit. Fern im Osten, am tiefsten See der Welt, spielte eine Geschichte der Versöhnung – erst vor wenigen Jahren. Was kann den Kriegen in aller Welt ein Ende setzen? Hier kommt ein Beispiel, aus dem sich schöpfen lässt.

Die deutsch-russischen Beziehungen reichen weit zurück. Zar Peter der Große (1672 bis 1725) suchte regelmäßig die Nemezkaja sloboda auf, ein Ausländerquartier vor Moskau. Hier lebten vor allem Deutsche – und hier fand er seine erste Geliebte: Anna Mons. Später verlegte der Herrscher die russische Hauptstadt an die Ostsee. Zehntausende Zwangsarbeiter errichteten Sankt Petersburg auf Sumpfgebiet. Vor seinem Tod gründete Peter an diesem Ort die Russische Akademie der Wissenschaften. Zu ihrem ersten Präsidenten bestimmte er seinen Leibarzt Laurentius Blumentrost. Muttersprache der meisten an die Akademie berufenen Wissenschaftler war Deutsch.

Zu ihnen zählte auch Johann Georg Gmelin, geboren in der schwäbischen Universitätsstadt Tübingen. Mit 21 Jahren wurde er zum Professor für Chemie und Naturgeschichte ernannt – an der Akademie der Wissenschaften in Russland. Zwei Jahre später, 1731, reiste er im Auftrag der Zarin und zusammen mit dem Historiker Gerhard Friedrich Müller Richtung Sibirien. In den folgenden zehn Jahren erforschte er den asiatischen Landesteil Russlands: seine Geographie, Tier- und Pflanzenwelt, Bodenschätze, die lokale Wirtschaft und die Lebensweise der Einheimischen.

Im Fernen Osten durchwanderte Gmelin die Wälder der Dahurischen Lärche. Zu seinen Ehren nennen die Botaniker diesen Baum Larix gmelinii. Das Gehölz ist bis hinauf zum Nördlichen Eismeer verbreitet, übersteht Temperaturen von minus 70 Grad Celsius. Im Süden erreicht es die Ufer des Baikalsees. Hier stand Gmelin im Jahr 1735. Die Gegend ist ein eigener Kosmos: Sie beheimatet die einzige Süßwasserrobbe der Welt. Die meisten Seebewohner trifft man nirgendwo sonst – der Baikal gehört zu den ältesten Seen auf der Erde. Im Mittel ist er 50 Kilometer breit und grob 650 Kilometer lang, also einmal Luftlinie München – Rostock. Den größten See Österreichs und Deutschlands, den Bodensee, könnte man ausleeren und 500 Mal wiederbefüllen – allein mit dem Wasser aus dem Baikal.

Bildlizenz: Foto »Nerpa (Pusa sibirica)« von Sergey Gabdurakhmanov / CC BY 2.0.

Wir sprechen vom reichsten Süßwassersee der Welt. An den Wassermassen aus allen Flüssen der Erde und allen nicht salzigen Seen hält der Baikal mehr als ein Fünftel. Mit 1642 Metern ist er der tiefste See überhaupt. Und dennoch ragen 27 Inseln aus seinen Wassern. Eine von ihnen trägt den Namen Olchon. Um die Fischproduktion auszuweiten, wurde hier 1938 die Siedlung Chuschir gegründet. Wenig später zogen über 200 Männer in den fernen Krieg. Nach dem Sieg über Hitlerdeutschland kehrte weniger als die Hälfte von ihnen lebend in die junge Ortschaft zurück. Ende der 1990er, als die Sowjetunion zusammengebrochen war, bot sich folgendes Bild: Ein Dorf mit 1000 Erwachsenen und 200 Kindern. Strom aus der Steckdose – das gab es nur gelegentlich, und niemand brauchte einen Gedanken an ein Handy zu verschwenden. Fließendes Wasser aus der Leitung? Unbekannt.

Die Filmemacher Susanne Becker und Bernd Reufels wählten diesen Platz für ein Experiment aus – im Auftrag des ZDF. Zwei deutsche Familien sollten nach Chuschir umsiedeln. Auf jede wartete ein Holzhäuschen mit Gemüsegarten und Vieh. Für das Wagnis existierte kein Drehbuch. Das Leben selbst würde die Geschichte schreiben, beobachtet von der Kamera, festgehalten in dem Film »Sternflüstern«. Von flüsternden Sternen spricht man dort auf Olchon, wenn der Atem zu Eis gefriert und leise klingend zu Boden fällt. Doch so kalt empfing die Familien ihre neue Heimat nicht.

Mit wenig Gepäck erreichen die Abenteurer die Insel zu Schiff. Anfang September 2003 geht es an Land. Die Deutschen erwartet der ausklingende Sommer. Familie Möchel findet endlich ihr Zuhause. Vor der Holzhütte entfaltet sich ein herrliches Seepanorama. Die Meteorologin Ljudmila will gleich ihre deutschen Nachbarn kennenlernen – die sprechen keinen Brocken Russisch. Für die Kinder ist das nicht weiter schlimm. Die vier Töchter schließen bald Freundschaft mit Ljudmilas Sohn Aljoscha. Seine Mutter zeigt den Bayern, wie die Kuh gemolken wird. Außerdem müssen sie lernen, den Ofen zu feuern, um etwas Warmes auf den Teller zu bekommen. Die Familie begreift, was es bedeutet, wenn das Überleben vom eigenen Garten, von kreativen Einfällen und guten Freunden abhängt.

Aljoscha wirkt nachdenklich. Der Vater soll ein Trinker gewesen sein; für seinen Sohn konnte er wenig tun. Erst vor Wochen verließ er Frau und Kind, um mit einer anderen zu leben. Bei Herrn Möchel reift ein Plan: Am Ufer liegt ein kaputtes Motorboot. Er treibt im Dorf Wachstuch auf, bei Nikita fragt er nach Scharnieren, Drahtseil und Holz. Etwas Deutsch und Englisch spricht dieser blondhaarige Geschäftsmann. Nikitas unternehmerischer Verstand schaltet schnell, als er erfährt, dass Herr Möchel Schreiner von Beruf ist. Er bietet ihm an, beim Bau der orthodoxen Kirche zu helfen, um das Material abzubezahlen. Und schon steht der Familienvater aus Bayern hoch oben auf dem Dach. Unangeseilt streicht er mit Helfern die Kirchenkuppeln blau.

Es sind die letzten milden Tage des Jahres, als das Segelboot fertig wird. Aljoscha verlässt der Mut. Schon so viele Fischer wurden auf dem Baikal von Stürmen überrascht, sind gekentert und ertrunken. Doch er nimmt sich ein Herz und fährt mit dem Deutschen hinaus aufs Wasser. Aljoscha beginnt, auf dem Boot zu tanzen; der Wind bringt die beiden zu neuen Ufern.

Der russische Winter kommt unerwartet, auch für Familie Klapproth aus dem Harz. Anfang Oktober fallen über Nacht 15 Zentimeter Schnee. Tochter Jenny begutachtet die Wäsche auf der Leine: steifgefroren. Von nun an überlegt sich jeder zweimal, ob er vors Haus tritt. Daran führt kein Weg vorbei. Die Kuh brüllt, weil das Euter drückt, oder umgekehrt: Die Blase meldet, dass es Zeit wäre, das Plumpsklo aufzusuchen. Trinkwasser schöpfen die Menschen immerzu aus dem Baikal. Der Herd ist die einzige Wärmequelle im Haus. Wenn es am Holz mangelt und das Feuer nachts erlischt, muss der Frühstücksbrei aus Eisplatten gekocht werden. Der See jedenfalls ist rein: Die Sichtweite unter Wasser soll bis zu 40 Meter betragen. Friert der Baikal zu, bilden sich wunderschöne Mosaikmuster.

Bildlizenz: Foto »Baikal« von Sergey Pesterev / CC BY-SA 2.0 / Foto beschnitten.

Das Leben auf Olchon verändert die Familien wie auch die Menschen, die nicht auf der Leinwand in Erscheinung treten. Der Kameramann vom ZDF kommt auf neue Gedanken: »Es gibt keinen Fernseher, es gibt kein Telefon. Und das alles lässt einen ganz allmählich ruhig werden.« Selbst bei den Einheimischen tut sich etwas. Klapproths wohnen mitten im Dorf. Ihre Nachbarn heißen Michail und Maria. Der Kontakt war freundlich, aber anfangs von Zurückhaltung geprägt. Tochter Jenny machte sich nichts daraus. Sie lief oft zu den beiden betagten Russen. Mit der Zeit entstand ein Austausch zum gegenseitigen Nutzen.

Beim gemeinsamen Abendessen bricht bei Michail das Eis. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion 1941 ließen Abermillionen Russen ihr Leben. Im selben Jahr wurde die Wolgadeutsche Republik in Sowjetrussland aufgelöst. Hunderttausende Russlanddeutsche wurden zwangsumgesiedelt, viele davon nach Sibirien. Michail war sechs Jahre alt, als sein Vater im Krieg gegen die Deutschen starb. Das hatte ihn geprägt. Klapproths verstehen kein Russisch, doch nun sagt Michail: »Uns ist es schlecht gegangen und euch ist es schlecht gegangen; lassen wir das Vergangene Geschichte sein.«

Beim Abschied im Januar 2004 fließen viele Tränen. Michail hätte seine junge Nachbarin gern für immer behalten. Vater René sei für ihn wie ein Sohn gewesen, Mutter Kerstin wie eine Tochter und Jenny wie eine Enkelin. Der Film »Sternflüstern« wurde in den folgenden Wochen in Etappen im Zweiten Deutschen Fernsehen gezeigt, erreichte ein Millionenpublikum. Heute würde er neue Aufmerksamkeit verdienen.

Das Verbindende entzieht den Konflikten den Boden. Am fernen Baikal in Sibirien zeigt sich: Auch zwei verfeindete Völker können die Gräben zwischen einander überwinden, gemeinsam Herausforderungen angehen und sich eine Hilfe sein. Und vielleicht, vielleicht könnten sie auch miteinander über eine gute Zukunft nachdenken und beginnen, sie zu erschaffen. Zumindest könnten sie darüber Lieder schreiben oder einfach zusammen musizieren, wie es die Menschen am Baikalsee im Winter mit gefrorenen Eisplatten tun.

Dieser Text von Hakon von Holst erschien in der Serie »Russlands Schätze« auf Manova. Weiterführendes zum Thema:

(1) DVD »Sternflüstern – Das Sibirien-Abenteuer«. Laufzeit 174 Minuten, Erstausstrahlung 2004. EAN 4028032065206.

(2) Susanne Dieterich: Württemberg und Russland. Geschichte einer Beziehung. Leinfelden-Echterdingen: DRW-Verlag 1994. ISBN 978-3-87181-243-9.

(3) Johann Georg Gmelin: Reise durch Sibirien. Göttingen: Abraham Vandenhoeck 1751/1752. Insgesamt vier Bände. In digitaler Form hier: https://vital.lib.tsu.ru/vital/access/manager/Repository?f0=sm_creator%3A%22Gmelin%2C+Johann+Georg%22

(4) Gerhard Friedrich Müller (Reisegefährte Gmelins): Sammlung Rußischer Geschichte. Erster Theil. Offenbach am Main: Ulrich Weiß 1777. Insgesamt neun Bände. In digitaler Form hier: https://www.digitale-sammlungen.de/de/search?query=%28%22Sammlung+Ru%C3%9Fischer+Geschichte%22%29

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Goldener Oktober

Die Schatten sind länger geworden. Im flachen Winkel fällt das Licht durch die Baumwipfel – ein Mittag im späten Herbst. Das Ohr vernimmt ein tiefes Brummen von links: Hummelköniginnen tauchen ihren Rüssel in den süßen Nektar der Braunelle. Mit seinem kräftigen Lila zieht der Lippenblütler auch Wanderers Auge in seinen Bann. Vor allem jetzt, wo die Vegetation in einem Strohfeuer verschmilzt, um dem weißen Winter Platz zu schaffen.

Wer sich etwas Zeit nimmt, der spürt dieses verbindende Element allen Seins. Dem ewigen Ruf der Schönheit folgend geht die Natur in den Schlaf über. In den tiefsten Nächten träumt sie dann unter dem Sternenhimmel von … »Tiitütüü!«, unterbricht ein Vogel. Der Geist kehrt in die Gegenwart zurück.

Die Flugfauna äußert sich zaghafter im fortgeschrittenen Jahr. Die fröhlichen Lieder sind ausgeklungen. Dafür schenkt die Sonne Wärme. Und Marienkäfer landen auf Arm und Bein. Dreizehn, vierzehn, fünfzehn … So viele Punkte auf dem Panzer – man kann sie gar nicht zählen, eh das Insekt seine roten Flügel wieder ausgebreitet hat.

Erneut fährt der Wind durchs Haar. Ein Konfettiregen löst sich aus dem Dach der Buche. Im Lichtstrahl Helios’ segeln die Blätter zu Tausenden hernieder. Schützend legt sich das Laub auf die Erde. Der Mantel unter den Füßen knistert beim Durchwaten.

Vor dem tiefblauen Himmel richten die Bäume ihre rot-goldenen Kronen in die Lüfte. Espe und Salweide bleiben länger grün. Es ist eine Szene wie aus dem Bilderbuch … Plötzlich fallen Regentropfen. Hoch oben zieht eine dunkle Wolke vorüber. Die Sonne scheint weiter. Ein Waldbad im Oktober ist immer eine Erfrischung.

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Ein Blick auf den Terminkalender: keine Verpflichtungen heute, Gott sei Dank. Und trotzdem macht sich Unruhe breit. Woher kommt das? Wann stellt sich Ruhe ein?

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Die Welt da draußen dreht sich immer schneller; die Erde nicht: Die Sonne geht weiterhin jeden Morgen auf, stoisch, unbeirrt. Gütig blickt sie auf ihre Kinder, streichelt sie mit ihren Strahlen. Was sie wohl denkt, wenn sie all die Menschen betrachtet? Die Leute eilen und fliehen – doch vor was?

Ich merkte: Die Rastlosigkeit verengt wie ein Schmerz meinen Brustraum. Was sagte dieses Gefühl? Ich ging ihm nach und konnte es für meinen Verstand übersetzen:

Es muss schnell gehen. Du verlierst Zeit. Du vergeudest Zeit. Tue mehr Dinge, wo du in deinem Schaffen mit der Seele aufgehst.

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