Lebende Häuser und eine Führung über den Krameterhof

Liebe Leser,

in meinem zweiten Rundbrief berichte ich kurz vom Seminar am Krameterhof letzten Mai und einer Exkursion nach Nordhessen, wo ich Konstantin Kirsch traf, einen Entwickler lebender Häuser.

Auf dem Weg ins Salzburger Lungau hatte ich das Glück, ab München mit einem Kursteilnehmer fahren zu können. Bei guter Verkehrslage dauert die Fahrt dann noch grob 3,5 Stunden. Mitte Mai (nach den Eisheiligen) stagnierten die Temperaturen auf dem 1300m hoch gelegenen Hof einige Grade über null.

Bei der Ankunft herrschte bereits Hochbetrieb, denn die Teilnehmer des diesjährigen Lehrgangs hatten ihre Ausbildung gerade erst begonnen.

Josef Holzer führte uns über seinen 45 Hektar umfassenden Hof und ließ uns an seinem Verständnis der Permakultur, also der dauerhaften, beständigen, permanenten und nachhaltigen Kultur, teilhaben; sie basiere auf drei Säulen, erklärte er: die erste bestehe darin, die Natur zu beobachten und in eine landwirtschaftliche Kultur zu übersetzen; die zweite, darauf aufbauende besage, man müsse damit auskommen, was einem das Land gibt (Stoff- und Energiekreisläufe müssen folglich funktionieren) und die dritte stehe für die Verantwortung seinen Handlungen gegenüber. Hier heiße es, sich zu hinterfragen, Entwicklungen zu beobachten, Fehler zu erkennen und sich einzugestehen als auch dann etwas zu ändern.

Im Bild unten der Südostabhang am Krameterhof, auf der anderen Talseite die Folgen von Sturmschäden nach einer Forstwirtschaft mit der Fichte in Monokultur.
Im Bild unten der Südostabhang am Krameterhof, auf der anderen Talseite die Folgen von Sturmschäden nach einer Forstwirtschaft mit der Fichte in Monokultur.

Am Krameterhof gibt es einen wunderbaren Honig; seit ich den gegessen habe, bin ich wählerisch geworden. Die Honigbiene ist in einer Obstlandschaft (das war das große Thema im Seminar) von unschätzbarem Wert, zumal sie für die Brut, das heißt für die Nachkommen, viel Pollen sammelt, sehr blütentreu ist und so die Obstbäume bestäubt. Und da sie zu den wenigen staatenbildenden Bienen gehört (95% der Bienenarten sind Einzelgänger), tritt sie zudem in großer Zahl auf (ein Volk zählt schon mal 50.000 Individuen). Auch Wildbienen werden sehr geschätzt, weil sie teilweise bereits ab 5°C unterwegs sind, wo Honigbienen bei 10°C gerade erst flugfähig werden. Am Krameterhof können sie deshalb eine Ernte retten, wenn eine Obstsorte bei frostigen Temperaturen blüht; jedes Jahr entsteht jetzt ein neues Wildbienenbruthaus (Wildbienenhotel) wie dieses:

Wildbienenbruthaus

Neben Hummelvölkern werden sonst noch Wespen und Hornissen geschätzt; sie halten andere Insekten im Zaum, deren massenhaftes Auftreten zu stark regulierenden Effekten führt, die leichtfertig als Schäden bezeichnet werden könnten.

Nach der Besprechung von Kompostierung und Waldaufbau beschäftigten wir uns mit der Obstbaumveredlung und schließlich der Pilzzucht, bevor wir dann – am Ende des vierten Tages – ein Geschenk aus dem Hofladen bekamen und jeder mit einem selbst veredelten Apfelbäumchen nach Hause fuhr.

Kurze Zeit später reiste ich zum Waldgartendorf nach Nordhessen. Als Konstantin Kirsch 1991 an diesen Ort kam, war alles noch ein Acker; 1993 hat er begonnen Bäume zu pflanzen, etwa 5000 sind es mittlerweile.

Allerdings hat er, inspiriert durch Arthur Wiechula und Rudolf Doernach, einen Großteil davon zu Häusern gepflanzt, wie dieses Baumhaselhaus zum Beispiel:

Baumhaselhaus
Das Baumhaselhaus. (Mit freundlicher Bildnutzungsgenehmigung durch Konstantin Kirsch)

Die Geflechte werden mit den Jahren immer dichter, da das Holz immer dicker wird; bei seinem fünf Zimmer umfassenden Eschenhaus sind die ersten Wandstücke im unteren Bereich bereits geschlossen. Sobald eine Verwachsung stattgefunden hat, teilen sich zwei Pflanzen den Saftstrom; im Falle dieses Hauses ist aus 1350 Eschen ein Lebewesen geworden.

Die Eschenhauswand.
Die Eschenhauswand. (Mit freundlicher Bildnutzungsgenehmigung durch Konstantin Kirsch)

Am First des Hauses laufen alle Äste zusammen und bilden einen nach oben wachsenden Baum. Sind alle Maschen eines Tages geschlossen, ist das Haus bezugsfertig. Das Licht wird dann durch rautenförmige Fenster fallen, deren Rahmen, umschlossen vom Baum, bereits Jahre zuvor eingesetzt wurden.

Auf seinem Gelände gibt es auf diese Weise beispielsweise ein Buchen-, ein Baumhasel-, ein Eschen- und ein Lindenhaus. Vor ein paar Jahren wurde noch ein Mammuthaus gepflanzt. Mammuts sind so wuchsstark, dass man diese Bäume gar nicht verflechten bzw. verbinden muss; sie wachsen einfach in der Breite zusammen.

Die Wendeltreppe.
Wendeltreppe. (Mit freundlicher Bildnutzungsgenehmigung durch Konstantin Kirsch)

Eine lebende Wendeltreppe in der Nähe des Eschenhauses. Bis zur Begehbarkeit braucht es noch eine Weile.

Die lebende Brücke.
Eine lebende Brücke. (Mit freundlicher Bildnutzungsgenehmigung durch Konstantin Kirsch)

Das ist Konstantin Kirschs neuestes Bauwerk, entstanden im April dieses Jahres. Die Brücke besteht aus Silberweiden. Auf der einen Seite sind sie eingegraben ins Erdreich, auf der anderen liegen sie auf einem Stein auf. Die Aufgänge sind jeweils auf den Seiten an den Enden der Brücke. Die Silberweiden sind mittlerweile angewachsen und treiben aus; von den Trieben der äußeren Weiden wird er ein Geländer flechten.

Über die Brücke gibt es schon eine Broschüre, zu der man hier mehr erfahren kann. Konstantin Kirsch hat bereits vor der Jahrtausendwende das Buch »Naturbauten aus lebenden Gehölzen« geschrieben. Es ist beim OLV-Verlag erhältlich.

So weit für dieses Mal! Gerne schreibe ich Euch wieder; wer möchte, kann auch auf meiner Internetseite vorbeischauen.

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