Anfang April hatte ich die Gelegenheit, Sepp Holzer im Rahmen eines dreitägigen Kurses selbst kennenzulernen. Wir, eine Gruppe von etwa 35 Teilnehmern, hörten Sepp, begingen mit ihm den Holzerhof als auch den Wildniskulturhof von Judith Anger, stellten Fragen und besprachen von uns mitgebrachte Projekte.
Sepp, jetzt 73 Jahre alt, ist so gefragt, dass er nicht einmal nach Ende eines Seminares (Sonntagnachmittag) ruht: punkt 16:00 Uhr die nächste Besprechung, montagmorgens nach Deutschland … Trotzdem bewirtschaftet er zusammen mit seiner Gattin erfolgreich den fast zehn Hektar (100.000m²) großen Holzerhof. An einem Nordhang findet man mehrere Hundert Obstbäume, teils überwuchert von über 20 verschiedenen Weinsorten. Nichts wird hier geschnitten, gedüngt oder gespritzt. Das Tor zum Wald steht offen; das Wild hat Zugang zur Anlage – es ist genug für alle da.
Wenn sich im Hochsommer die beladenen Äste zu Boden biegen, schützt sich der Baum selbst vor Verbiss*. Noch ist die Pracht farbenfroher praller Früchte verborgen, doch der Herbst kommt bestimmt.
(*): Verbiss meint das Schälen/Abknabbern der Stammesrinde durch Nutz- und Wildtiere, z.B. Hirsche, Rehe oder Ziegen.
So ein Nordhang, also die sonnenabgewandte Seite eines Berges, stellt für Sepp keinen Nachteil dar. »Ungunstlagen gibt es auf der ganzen Welt nicht«, lehrt und lebt er: Zwar reife das Obst da später, doch könne man zu einer späten Jahreszeit frische regionale Ware anbieten – und höhere Preise erzielen.
Vom Seminar möchte ich vier Tips zu angestoßenen Themen weitergeben:
- Auf die Vitalität der Honigbienen angesprochen verwies Sepp an erster Stelle auf den Zustand der Umwelt. Im ländlichen Raume entstünden wegen flächendeckender Monokulturen immense Probleme. Die Landschaften verarmten, es fehlten wichtige Heilkräuter, Blumen, Giftpflanzen. Eine durchgängige Tracht gebe es nicht mehr. Fange schließlich ein Rapsfeld an zu blühen, gingen die Bienen in die Brut; komme dann die Ernte, erleide das Volk einen Schock, da es nun große Probleme bekomme, seine Larven zu versorgen. Darum sei eine Pflanzenvielfalt (dazu gehöre auch das Vorhandensein von [Misch]wäldern, dem ursprünglichen Heimatort der Bienen) so wichtig. Sepp persönlich gefiel die Imkerei, die er in Sibirien kennenlernte, am besten. Dort imkere man mit 1,3–1,5m langen hohlen Baumstämmen im Naturwabenbau. Ein wichtiger Unterschied zu hiesigen Angewohnheiten sei die Honigernte im Frühjahr. So überwintern die Bienen mit ihrem Honig, entnommen werde ausschließlich der Überschuss. Eine Empfehlung zum Schutz vor Milben ist die Pflanzung eines Kräuterteppiches vor die Bienenbeute; genommen werden könne z.B. Thymian, Majoran, Lavendel, Rosmarin, Brennnessel oder Quendel.
- Wie kann man den Eschen helfen? Hintergrund ist ein Baumsterben, das allem Anschein nach durch verschiedene eingeschleppte Pilze ausgelöst wird. Davon betroffen sind auch Ulmen und Erlen. Bei den Eschen führt das Falsche Weiße Stängelbecherchen zum Absterben der Triebe, weil dieses die wasser- und nährstoffführenden Kapillaren des Baumes verstopft. Sepp erzählte, dass er bereits Verschiedenes ausprobiert habe, und mit einem Versuch habe er etwas erreichen können: Befallene Bäume beimpfe man mit Speisepilzen und erschüttere sie später mit einem Schlegel (ein Werkzeug zum Schlagen). Je nachdem, wie vital der Baum sei, stoße er das (Pilz-) Myzel entweder ab oder eben nicht; die gewünschte Reaktion sei jedenfalls, dass an Stamm und Wurzel neue Triebe austreiben. Diese solle man stehen lassen oder auspflanzen. Jede überstandene Krankheit führe zu einer gewissen Resistenz, führte er weiter aus; so ist das in der Natur und natürlich auch bei den Bäumen: In Zukunft könne dann die Pflanze den Parasit erkennen und geeignet reagieren.
- Gleich daran an fügte er eine Geschichte vom Krameterhof: Eines Tages zeigten Hunderte Obstbäume einen Befall durch (Obst-) Feuerbrand (eine Krankheit, die die Blätter verbrannt aussehen lässt und die unter Beteiligung eines Bakteriums entsteht); die zuständige Behörde verlangte die Fällung der Bäume. Für Sepp kam das nicht in Frage: Stattdessen nahm er die Astschere, schnitt alle betroffenen Zweige bis auf einen Stummel am Hauptstamm weg und verstrich die Stellen mit Baumharz. So habe er verhindert, dass der Pflanze zu viel Kraft entweicht (der Kapillareffekt sorge dafür, dass Wasser auch in tote Äste hinaufsteige). Im nächsten Jahr bildeten sich in den meisten Fällen neue Triebe – die Bäume überlebten. Erst dann schnitt er alle Überstände (Stummel) ab, verstrich diese und sorgte so dafür, dass die Stellen vernarben konnten.
- Als Schmankerl möchte ich die Besprechung eines Projektes ausführen: Die Ausgangssituation war eine Insel der Kap Verden (an der Westküste Afrikas). Die Jahresdurchschnittstemperatur beträgt 33°C, die Regenmenge liegt bei einem Sechstel der deutschen; die Insel vulkanischen Ursprungs … kahl. Hier riet Sepp ausnahmsweise von dem Bau von Wasserbecken (die der Rückhaltung von Wasser dienen bzw. verhindern, dass dieses ungenutzt ins Meer läuft) ab: das poröse Gestein sei zu durchlässig. Alternativ solle ein Bagger mit dem Böschungslöffel Mulden drücken. So werde das Geröll zu Mehl vermahlen und verschlicke den Boden, der dadurch dicht werde. Rundherum könne man einen Kratergarten aufschütten (ein abgestufter Erdwall um eine Mulde, die sich mit Wasser füllt). Zu guter Letzt stünde dann das Säen an: in kleine Löcher bringe man organischen Abfall vom Müllplatz ein, säe Mangos und Papayas und schütze die Stellen durch das Aufbringen von dornigem Gestrüpp. Und die Herden? Anfangs könne es da natürlich sein, dass beispielsweise ein Esel den durch den spitzigen Busch hinauswachsenden Trieb abgrase, doch dann schieße die Pflanze eben zu den Seiten aus und bringe Früchte hervor. Sähen das die Hirten, glaubt er, sie würden diese Plätze schützen.
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