Grafik zeigt die Stadt Frankfurt. Lizenz: Bild von Leonhard Niederwimmer / Pixabay / Bild beschnitten.
Artikel | 01.10.2024
Bundesbank beteiligt sich an Verdrängung des Bargelds
Die Deutsche Bundesbank will mittelfristig ein Viertel ihrer verbliebenen Filialen schließen. Das könnte die Akzeptanz von Bargeld im Einzelhandel weiter vermindern. Trotzdem beharrt die Bundesbank auf ihrem Plan, auch gegen interne Kritik. Von Hakon von Holst.
Das Filialsterben bei der Bundesbank geht weiter. An acht von 31 Standorten möchte die Bundesbank die Türen schließen, für immer. Wie das ›Handelsblatt‹ am 30. September berichtete, regt sich intern wie extern Kritik an den Plänen. Die Bundesbank hält aber unbeirrt an den Plänen fest.
Der Personalrat der Bundesbank rechnet mit verlängerten Fahrtwegen für Geldtransporteure. Er lehnt den Filialabbau deshalb auch »unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten« ab. Für den Einzelhandel bedeuten die Pläne in erster Linie steigende Kosten. Viele Geschäfte überlassen die Einzahlung ihrer Bargeldeinnahmen auf das eigene Konto Sicherheitstransportunternehmen. Und die wollen schließlich auch auf ihre Kosten kommen, wenn sie quer durchs Land fahren, um eine Wagenladung Geld zu einer Bundesbankfiliale zu bringen.
2021 verabschiedete sich die deutsche Notenbank bereits aus Bochum, Düsseldorf, Essen und Hagen. Ulrich Binnebößel vom Handelsverband Deutschland (HDE) beklagt im ›Handelsblatt‹, dass Geldtransporteure aus diesem Grund schon jetzt längere Touren fahren müssten.
Kleinere Händler bringen ihre Einnahmen eigenständig zur Sparkasse, Volksbank oder einem anderen Geldinstitut. Doch auch das wird schwieriger. Zwischen 2017 und 2023 schlossen die Privatbanken in Deutschland jede dritte Filiale. Der Handelsverband HDE schrieb im Mai 2024, dass dadurch gerade in ländlichen Gebieten »ein erheblicher Kostenaufwand« entstehe.
Im Juni 2024 hatte die Bundesbank ihre Schließungspläne erstmals verkündet. 2028 sollen drei Standorte entfallen, bis 2039 weitere fünf. Binnebößel zeigt sich alarmiert: Ohne Alternativen könne eines Tages das ganze System kippen. »So weit darf es nicht kommen«, so der Experte des Handelsverbands gegenüber dem ›Handelsblatt‹. »Da muss die Bundesbank sehr genau schauen, wie weit sie sich zurückziehen kann.«
Die interne und externe Kritik weist Bundesbankvorstand Burkhard Balz zurück. Es stünden weiterhin genügend Schalter-, Bearbeitungs- und Tresorkapazitäten zur Verfügung. Warum schließt die Bundesbank immer mehr Filialen? Nach Recherchen des ›Handelsblatts‹ geben wirtschaftliche Erwägungen den Ausschlag. Offenbar will sich die Bundesbank die Zukunft des Bargelds nicht allzu viel kosten lassen. Das ist die eigentliche Tragödie. Wenn nicht einmal der Staat bereit ist, sich für die Bargeldinfrastruktur einzusetzen, wer dann? Im Einzelhandel sind ökonomische Erwägungen noch viel bedeutsamer.
Die Konsequenzen
Das Handeln der Bundesbank wirft auch ein neues Licht auf die geplante EU-Bargeld-Verordnung. In den Artikeln 7 und 8 des Gesetzesentwurfs sieht die EU-Kommission vor, dass Mitgliedsländer wie Deutschland die Akzeptanz und Verfügbarkeit von Bargeld überwachen. Die Gesetzgeber müssen Abhilfemaßnahmen ergreifen, wenn sie zur Auffassung gelangen, »dass der Umfang der Annahme von Barzahlungen die obligatorische Annahme von Euro-Banknoten und -Münzen untergräbt oder dass kein hinreichender und wirksamer Zugang zu Bargeld gewährleistet ist«. Auf Deutsch heißt das: Wenn ein Land zur Ansicht gelangt, dass zu viele Geschäfte Bargeld ablehnen oder die Versorgung mit Bargeld zu schlecht geworden ist, dann muss die Regierung Initiative zeigen.
Allerdings ist dabei der »Aspekt der Verhältnismäßigkeit« zu berücksichtigen. Wenn also immer weniger Bargeld bei den Banken eingezahlt wird, weil Busse und Bahnen Bargeld ablehnen oder weil Supermärkte ihre Kunden mit bargeldlosen Selbstbedienungskassen zur Kartenzahlung nötigen, dann wird es auch unverhältnismäßig sein, die Banken zu zwingen, flächendeckend Automaten und Filialen zu betreiben. Schließlich können die Kosten für ihren Betrieb nicht auf ein paar wenige Unternehmen mit geringerem Bargeldumsatz umgelegt werden, geschweige denn auf ein paar wenige Konsumenten, die noch Bargeld benötigen. Der Preis wäre zu hoch.
Das ist der Dominoeffekt, dem sich die Bundesbank nicht entgegenstellt. Stattdessen veranstaltet sie Dialoge mit Organisationen der Zivilgesellschaft, um deren Perspektiven auf das Bargeld »künftig besser berücksichtigen zu können«. Es wäre ein Leichtes für die Bundesbank, solche sozial ausgerichteten Organisationen zu einen, um gemeinsam an Regierung und EU-Parlament zu appellieren, die geplante Bargeld-Verordnung in einer Art auszugestalten, dass Akzeptanz und Verfügbarkeit von Bargeld wirklich gesichert werden.
Genau das fordern bereits 85.000 Menschen in einer Petition. Mit seiner Unterschrift kann jeder Bürger dazu beitragen, dem Interesse der Bevölkerung am Bargeld Sichtbarkeit zu verleihen. Bis die Politik handelt, geht die Verdrängung des Bargelds weiter.
Autor: Hakon von Holst. Der Artikel erschien zuerst auf ›Geld und mehr‹.